Arbeitszeit

Debatte um Arbeitszeit: Einfach länger arbeiten? Das ist nicht die Lösung!

23.06.2025 | Arbeiten wir zu wenig? Geht's eigentlich noch?! Das werden alle denken, die Angehörige pflegen, keine entsprechende Kinderbetreuung haben, Care Arbeit ohne Bezahlung leisten oder deren Job körperlich und geistig extrem fordernd ist. Wenn Arbeitstage zu lang werden, steigt das Unfallrisiko, die Gesundheitsgefährdung nimmt zu und begehrte Fachkräfte gewinnt man so auch nicht. Das alles wiegt schwer auf der Negativseite. Stattdessen fordern wir von der Politik bessere Kinderbetreuung, mehr Unterstützung für Familien und ein Ende der Teilzeitfalle.

Symbolbild: Arbeiten wir tatsächlich zu wenig?! Bundeskanzler Friedrich Merz hat eine Debatte über die Arbeitszeit in Deutschland aufgemacht. Foto: panthermedia

Derzeit wird intensiv über Arbeitszeit diskutiert. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD den Umstieg von der täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit vereinbart. Zu möglichen Änderungen des Arbeitszeitgesetzes will die Bundesregierung einen Sozialpartnerdialog führen, in den sich die IG Metall einbringen wird. 

In der öffentlichen Debatte geht es zum Teil drunter und drüber. HIER kommen die Fakten, auf die es ankommt. Außerdem stellen wir euch in einer kleinen Reihe gleich 7 Argumente vor, warum der 8-Stunden-Tag so wichtig ist! 

Beschäftigte arbeiten viel, oft zu viel

Allein in den letzten zehn Jahren stieg die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland von knapp 43 Mio. im Jahr 2014 auf gut 46 Mio. in 2024. Das Arbeitsvolumen von Arbeitnehmer*innen kletterte auf ein Rekordhoch von fast 55 Mrd. Stunden. Zwar sind die Zahl der Erwerbstätigen und das Gesamtarbeitsvolumen aller Erwerbstätigen zuletzt minimal gesunken. Gründe liegen aber in der Konjunktur, nicht an den Menschen: Abbau von Vollzeitstellen, mehr Kurzarbeit, weniger Überstunden. Bei der Erwerbstätigenquote liegt Deutschland auf Platz fünf weit über dem EU-Durchschnitt.

Und: Auch junge Menschen sind nicht faul, sondern arbeiten so viel wie seit den 1990er Jahren nicht mehr.

Laut IAB leisteten Beschäftigte für das Jahr 2024 etwa 1,2 Milliarden Überstunden, was mehr als 750.000 Vollzeitstellen entspricht. Mehr als die Hälfte dieser geleisteten Überstunden (53,6 %) war unbezahlt. Vor diesem Hintergrund ist der Plan der Koalition, Überstundenzuschläge von der Steuer zu befreien, eher fragwürdig.

Lange Arbeitszeiten sind kein Garant für Wohlstand

Ginge es danach, müssten Kambodscha, Bangladesch oder Singapur wirtschaftlich Spitzenpositionen einnehmen. Entscheidend ist vielmehr die Produktivität. Und dafür braucht es Zukunftsinvestitionen, qualitativ gute Arbeitsbedingungen und eine gute Organisation der Arbeit im Betrieb: gute Entscheidungs-, Führungs- und Kommunikationsprozesse, sinnvolle Aufgabenverteilung, moderne technische Ausstattung, gesundheitsgerechte Arbeitsplätze, ausreichend Personal sowie gute Aus- und Weiterbildung. Gerade bei letzterem schlummert ein riesiges Potenzial bei den 2,9 Millionen jungen Menschen unter 35 Jahren, die keinen Berufsabschluss haben.

Hohe Teilzeitquote beeinflusst die Daten

Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit liegt in Deutschland aktuell bei 30,34 Stunden. Das sieht im Vergleich mit vielen anderen Ländern zunächst niedrig aus. Diese Zahl trügt aber. In die Berechnung dieser Kennzahl fließt in Deutschland nämlich auch die Wochenarbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten ein. Der Anteil von Teilzeitarbeit ist so hoch wie nie zuvor: 39,8 Prozent aller Beschäftigten arbeiten in Teilzeit, unter den Frauen ist es fast die Hälfte.

Das Arbeitszeitgesetz ist Gesundheitsschutz

Arbeiten ohne Grenzen macht krank. Mehr Erschöpfung, weniger Zeit zur Erholung, viel höhere Unfallgefahr, mehr Burnout – die Zahlen psychischer Erkrankungen nehmen zu. Insbesondere Schichtarbeit ist sehr belastend für den menschlichen Körper. Gerichte betonen deshalb immer wieder: Das Arbeitszeitgesetz ist Gesundheitsschutz! Der 8-Stunden-Tag fußt auf Erkenntnissen aus der Arbeitsmedizin. Überlange Arbeitszeiten stressen Körper und Psyche, die Krankheits-, Unfallgefahr und Schlafstörungen nehmen nach acht Stunden deutlich zu.

Was das Vorhaben der Bundesregierung bedeutet

Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Regelung würde extrem lange Erwerbsarbeitstage ermöglichen. Faktisch würde mit der wöchentlichen statt täglichen Höchstarbeitszeit nach Abzug der Mindestruhezeit von 11 Stunden und der entsprechenden Ruhepause von 45 Minuten eine tägliche Höchstarbeitszeit von 12 Stunden und 15 Minuten zulässig. Mit solch langen Arbeitstagen würden wir die Fachkräfte, die wir so dringend und nachhaltig brauchen, schlicht verheizen. Mit besserer Vereinbarkeit hat das nichts zu tun.

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Von: cdr

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