30.11.2022 | Das neue Bürgergeld hat in den letzten Wochen und Monaten für viel Aufregung gesorgt. Nun ist es amtlich: Das Bürgergeld kommt und soll Hartz IV ersetzen. Was bringt es, was bringt es nicht? Die IG Metall hat die wichtigsten Fakten zusammengetragen.
Die Union hat bis zuletzt das Gesetzesvorhaben zum Bürgergeld blockiert. Flankiert wurde die Blockadehaltung durch eine beispiellose, aus verschiedenen Ecken befeuerte Desinformationskampagne auf dem Rücken der Ärmsten. Überdeutlich wurde dabei, wie groß das Informationsdefizit über Sozialleistungen hierzulande ist und Falschinformationen entsprechend leicht verfangen. Das liegt zum einen an den komplexen Regelungen, die jenseits der Fachwelt kaum zu durchdringen sind. Aber auch in den Medien wurden vermeintliche „Aufreger“ allzu oft bereitwillig und unkritisch aufgegriffen. Sachorientierte Beiträge hatten es dagegen schwer Gehör zu erhalten. Dabei liegen ausreichend Fakten vor.
Zum 1. Januar 2023 steigt der Regelsatz von 449 auf 502 Euro. Zudem soll künftig bei der jährlichen Anpassung die Inflation schneller berücksichtigt werden. Damit kann eine gewisse Kompensation der Preissteigerungen erreicht werden. Das ist gut und aktuell wichtig.
Die grundsätzliche, problematische Berechnung des Existenzminimums bleibt aber unverändert. Sie fußt darauf, dass sich die Regelsätze an den durchschnittlichen Ausgaben der Einkommensschwächsten orientieren. Erhoben wird jedoch nicht der Bedarf dieser Haushalte, sondern nur, was sie für Ernährung, Freizeitaktivitäten etc. tatsächlich ausgeben können. Unberücksichtigt bleiben damit sämtliche Bedarfe, die vorhanden sind, die von den Einkommensschwächsten aus Finanznot jedoch nicht gedeckt werden können. Doch damit nicht genug. Überdies werden einige Ausgaben der Einkommensschwächsten nicht oder nur zum Teil als Bestandteile des Existenzminimums betrachtet. Diese Methode des Kleinrechnens kritisieren Gewerkschaften und Sozialverbände seit Jahren. Die nächste Neuberechnung der Regelsätze steht an auf Grundlage der sogenannten Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) 2023 (Auswertung zieht sich wahrscheinlich bis 2025). Dies muss endlich für eine grundlegende Strukturreform der Regelsatzberechnung genutzt werden.
In der Gesamtschau bietet das Bürgergeld in der jetzt beschlossenen Form substantielle Verbesserungen im Vergleich zum Hartz IV-System. Vor allem im Bereich der aktiven Arbeitsförderung. Hier bietet sich die Chance, dass anstatt des Prinzips „Hauptsache Arbeit“ Wege in nachhaltige Integration stärker in den Mittelpunkt rücken. Für eine Überwindung von Hartz IV reicht es aber nicht aus. Die Problematik der Regelsätze wird nicht grundlegend gelöst. Und das ursprüngliche Ziel, das Kontroll- und Repressionsregime durch ein Bürgergeldsystem zu ersetzen, welches die Würde und Leistung des Einzelnen achtet und Lebensleistung besser schützt, wird durch die seitens der Union erzwungenen Einschnitte leider nicht genügend erreicht.
Darüber hinaus sieht das Bürgergeld weitere Änderungen in Sachen Arbeitsförderung und Zuverdienstmöglichkeiten vor - mehr dazu findet ihr unter diesem Link.