Thomas Knabel im Interview

Gemeinsam durch die Krise - Beschäftigung sichern, nicht nur durch Unternehmensgewinne

12.06.2020 | Hilfsprogramme und Konjunkturpakete in Milliardenhöhe: Um die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu bewältigen, greifen Bund und Länder der Wirtschaft kräftig unter die Arme. „Gerade in diesen Zeiten ist es aber wichtig, dass wir auch Industriepolitik für die Menschen machen und zukunftsgerichtete Arbeitsplätze erhalten statt nur Unternehmensergebnisse abzusichern“, betont Thomas Knabel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Zwickau.

Thomas Knabel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Zwickau

Die IG Metall Zwickau steht voll und ganz hinter dem 4-Punkt-Plan zur Sicherung des Industriestandorts Sachsen, den die IG Metall Bezirksleitung Berlin-Brandenburg-Sachsen gemeinsam mit den sächsischen Geschäftsstellen am Donnerstag vorgelegt hatte. Darin fordert die Gewerkschaft unter anderem eine landeseigene Industrieholding, um die Liquidität in Not geratener Unternehmen abzusichern.

„Was wir dabei als Voraussetzung jedoch einfordern, ist das Mitspracherecht der Beschäftigten“, so Knabel weiter. Hilfe und Unterstützung müsse an Tariflöhnen sowie den Erhalt von Arbeits- und Ausbildungsplätzen gebunden sein. Die Krise zeige, dass es derzeit die Unternehmen besonders stark treffe, die weder eine Tarifbindung noch einen Betriebsrat haben. Mitbestimmte Unternehmen hingegen meistern schwierige Phasen erfolgreicher. Doch nur jedes dritte Unternehmen in Sachsen hat einen Betriebsrat, der die Rechte der Arbeitnehmer vertritt.

Insbesondere die Automobilindustrie mit ihren Zulieferunternehmen ist nach Einschätzung der IG Metall stark unter Druck geraten: Denn die Branche steht durch die Transformation hin zur Elektromobilität bereits vor enormen Herausforderungen. „Corona verschärft also eine ohnehin angespannte Situation. Das gilt nicht nur für die fünf Fahrzeug- und Motorenwerke von Volkswagen, BMW und Porsche. Etwa 80 Prozent der 95.000 Beschäftigen der sächsischen Automobilindustrie arbeiten in den rund 780 mittelständischen Unternehmen der Zulieferbranche sowie bei Ausrüstern und Dienstleistern“, sagt Knabel.

Deutschlandweit muss die Branche allein in diesem Jahr mit einem Absatzrückgang von bis zu 25 Prozent rechnen. Im Autoland Sachsen sind damit rund 8.000 Arbeitsplätze bedroht. Das trifft das industrielle Herz Sachsens im Dreieck Chemnitz-Leipzig-Zwickau besonders hart. „Denn die Arbeitsplätze, die weg sind, werden nicht wiederkommen“, ist Knabel überzeugt. Gute Beispiele, wie die Transformation gemeistert werden kann, gibt es in der Region. So hat beispielsweise der Logistikdienstleister Schnellecke in Glauchau im Rahmen einer Zukunftsvereinbarung Mitarbeiter qualifiziert, deren bisherige Aufgaben weggefallen sind. „Anscheinend vergisst mancher mitten in der Corona-Krise aber, dass wir noch immer einen Fachkräftemangel haben.“

Deshalb sieht der 4-Punkte-Plan ein „Sächsisches Zentrum für Fachkräftesicherung und Gute Arbeit“ vor – ein Projekt, dass auch im Koalitionsvertrag der schwarz-grün-roten Landesregierung steht. Aus Sicht der IG Metall braucht es jetzt so schnell wie möglich ein solches zentrales Koordinierungsgremium, um die Krise gemeinsam zu bewältigen.

Gemeinsam ist das Stichwort der Stunde: „Die bisherigen Hilfsprogramme sind richtig und wichtig, sie müssen aber dem Gemeinwohl dienen“, mahnt der Erste Bevollmächtigte. Die IG Metall fordert daher im Rahmen des 4-Punkte-Plans auch eine landesweite Kampagne zur Stärkung der Mitbestimmung und Tarifbindung, um der jahrelang propagierten Niedriglohnpolitik im Freistaat endlich ein Ende zu machen. Zu guter Letzt müssen sichere Arbeitsplätze mit einer ökologischen Transformation Hand in Hand gehen, damit eine nachhaltige Industriepolitik Mensch und Umwelt dient.

Unternehmen hingegen, die ihre Mitarbeiter mitten in der Krise im Regen stehen lassen und Arbeitsplätze abbauen oder Betriebsverlagerungen vornehmen, sollten dafür nicht auch noch mit Investitionsförderungen belohnt werden. Beispiele wie die Lufthansa, die in der einen Woche Milliarden zugesagt bekommt, um in der nächsten Woche trotz Rettungspaket mehr als 20.000 Stellen als bedroht zu beziffern. „Das ist das völlig falsche Signal“, sagt Knabel.

 

Von: sh

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