22.11.2024 | Die Zufriedenheit mit der Demokratie, wie sie in Deutschland gelebt wird, schwindet. Sie ist im Osten so gering wie zuletzt 2006 (29,7 Prozent). Auch im Westen sinkt die Zustimmung (45,5 Prozent). Ausländerfeindlichkeit hat sich zu einem bundesweit geteilten Ressentiment entwickelt: Die Zustimmung zu ausländerfeindlichen Aussagen hat in Westdeutschland deutlich zugenommen und nähert sich den Einstellungen im Osten an.
Dies sind Ergebnisse der Leipziger Autoritarismus Studie, die heute erschienen ist. Die Studie mit dem Titel „Vereint im Ressentiment. Autoritäre Dynamiken und rechtsextreme Einstellungen“ ist in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung und der Otto Brenner Stiftung entstanden. Seit 2002 erscheinen die Leipziger Studien - zum inzwischen 12. Mal spüren sie demokratischen wie antidemokratischen, pluralistischen wie autoritären Einstellungsmustern nach. Die Autoren Prof. Dr. Oliver Decker und Prof. Dr. Elmar Brähler vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig haben die Befunde der neuen Untersuchung und die aktuelle Studie in Berlin vorgestellt.
„Die Leipziger Autoritarismus Studien sind eine Institution, ein zentraler Referenzpunkt für die offene gesellschaftspolitische Debatte“, sagt Jan Philipp Albrecht, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung und fügt hinzu: „Uns beschäftigt besonders die zunehmende Zahl der Befragten, die mit der gelebten Demokratie unzufrieden sind. Mit unserer politischen Bildungsarbeit wollen wir hier zu einer Änderung der Einstellungen beitragen.“
Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Bedeutung des Arbeitsplatzes als Erfahrungsraum: „Wir wissen, dass Beteiligung in der Arbeitswelt mit einer positiveren Einstellung zur Demokratie einhergeht – der konstatierte Rückgang betrieblicher Partizipationserfahrungen, insbesondere in Ostdeutschland, muss daher alarmieren.“ Künftig gälte es umso mehr, „Betriebsräte und Gewerkschaften weiter zu stärken“.
Ihren analytischen Blick wirft die diesjährige Erhebung auf die Einflüsse von sozialer Ungleichheit und sozialräumlichen Kontexten auf die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen. Hier zeigt sich – ein sehr bemerkenswerter Befund – dass auf individueller Ebene Faktoren wie Arbeitslosigkeit und niedriges Einkommen wenig Erklärungskraft besitzen. Rechtsextreme Einstellungen scheinen viel stärker befördert durch subjektive Deprivationserfahrungen, insbesondere durch das Gefühl, dass es Deutschland insgesamt wirtschaftlich schlecht gehen würde.
Die Zahlen belegen für 2024, dass antifeministische und sexistische Einstellungen auf hohem Niveau bleiben und sich in allen gesellschaftlichen Gruppen finden. 25 Prozent der deutschen Bevölkerung hat ein geschlossen antifeministisches Weltbild, vor allem auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Bei den erstmals untersuchten trans*feindlichen Einstellungen liegen die Werte mit 37 Prozent sogar noch höher. Darin spiegelt sich wider, dass Feminist*innen und trans*Personen von Parteien und Bewegungen im äußeren rechten Spektrum offensichtlich zu einem zentralen Feindbild gemacht werden.
Neu ist in diesem Jahr ein eigenes Kapitel zum methodischen Vorgehen, das einen niedrigschwelligen Einstieg in zentrale Fragen der Messung und Repräsentativität der Ergebnisse bietet. Für die Studie wurden zwischen Anfang März und Ende Mai 2024 bundesweit 2.500 Personen mit Wohnsitz in Deutschland vor Ort befragt wurden. Die Untersuchung ist repräsentativ für die deutschsprachige Bevölkerung ab 16 Jahre.
HIER gibt es die Studie zum Download.
Und hier könnt ihr euch die Vorstellung nochmal als Video anschauen.