TAG DER ARBEIT

Vom Kampftag zum Feiertag: Geschichte des 1. Mai

15.04.2023 | Im Jahre 1890 begingen erstmals Millionen arbeitender Menschen in Europa und in den USA gleichzeitig den »Weltfeiertag der Arbeit«. Gemeinsam mit dem DGB zeigen wir Geschichte, Daten, Fakten zum Tag der Arbeit in Deutschland. Und: Wir sehen uns zum 1. Mai - zum Beispiel auf dem Hauptmarkt in Zwickau oder auf dem Albertplatz in Plauen.

Born in the USA

Zum 100. Jahrestag des Sturms auf die Bastille trafen sich am 14. Juli 1889 400 Delegierte sozialistischer Parteien und Gewerkschaften aus zahlreichen Ländern zu einem internationalen Kongress in Paris. Die Versammelten produzierten, wie auf Kongressen auch damals schon üblich, eine Menge bedruckten Papiers, darunter eine Resolution des Franzosen Raymond Felix Lavigne, in der es hieß:

"Es ist für einen bestimmten Zeitpunkt eine große internationale Manifestation zu organisieren, und zwar dergestalt, dass gleichzeitig in allen Städten an einem bestimmten Tage die Arbeiter an die öffentlichen Gewalten die Forderung richten, den Arbeitstag auf acht Stunden festzusetzen (...). In Anbetracht der Tatsache, dass eine solche Kundgebung bereits von dem amerikanischen Arbeiterbund (...) für den 1. Mai 1890 beschlossen worden ist, wird dieser Zeitpunkt als Tag der internationalen Kundgebung angenommen."

Zunächst war keine Rede von einer Wiederholung oder gar einer Institutionalisierung als Feiertag. Es schien aber wie ein stillschweigendes Übereinkommen, dass die Arbeiterbewegungen der meisten Länder davon gleichwohl ausgingen. Wieso entschieden sich die amerikanischen Gewerkschaften für den 1. Mai?

Arbeitszeitverkürzung

Die Vorgeschichte begann zum Ende des Bürgerkriegs 1865, als die amerikanischen Gewerkschaften erstmals die Forderung nach der Einführung des Acht-Stunden-Tags erhoben. Bis in die 1860er Jahre galten in den meisten US-Betrieben Arbeitszeiten von elf bis 13 Stunden, erst dann konnten sie den Zehn-Stunden-Tag als Regelarbeitszeit durchsetzen. Es sollten weitere beinahe zwanzig Jahre vergehen, bis sie 1884 die allgemeine und verbindliche Durchsetzung einer täglich achtstündigen Arbeitszeit in Angriff nahmen. Sie beschlossen, am 1. Mai 1886 dafür einen mehrtägigen Generalstreik zu führen. Noch stand nicht der Termin, sondern die Forderung im Mittelpunkt.

Der Grund für die Terminwahl war ein völlig banaler und wenig zur Mythenbildung geeignet: Der 1. Mai galt in den USA traditionell als "Moving day", als Stichtag für den Abschluss oder die Aufhebung von Verträgen, häufig verbunden mit Arbeitsplatz- und Wohnungswechsel. Der Acht- Stunden-Tag sollte in die neuen Verträge aufgenommen werden. Dafür traten am 1. Mai 1886 rund 400.000 Beschäftigte aus 11.000 Betrieben der USA in den Streik, aber nur für 20.000 Arbeiter konnte der Achtstundentag wirklich durchgesetzt werden. Diesen bescheidenen Erfolg überschatteten die Ereignisse in Chicago. Die Kundgebung am dortigen Haymarket endete in einem Desaster. Nach Darstellung der Polizei warfen Anarchisten eine Bombe auf die anwesenden Beamten, der sieben Polizisten zum Opfer fielen. Vier anarchistische Arbeiterführer wurden, obwohl keine Beteiligung am Anschlag nachgewiesen werden konnte, zum Tode verurteilt und gehenkt.

Der blutige Vorfall konnte den Kampf für den Acht-Stunden-Tag nur vorübergehend unterbrechen. Im Dezember 1888 erklärten die in St. Louis versammelten Gewerkschaftsdelegierten, unter ihnen zahlreiche deutschstämmige Einwanderer, am 1. Mai 1890 erneut Streiks und Kundgebungen durchzuführen. Die Bewegung war nicht auf die USA begrenzt, im selben Jahr forderten zum Beispiel auch die französischen Gewerkschaften die Einführung des Acht-Stunden-Tags.

Der 1. Mai im Deutschen Kaiserreich (1890-1918)

Der Beschluss des Pariser Kongresses, den Kampf um den Acht-Stunden-Tag als internationale Aktion zu führen, fiel mitten in die größte Streikwelle hinein, die das Deutsche Reich bis dahin erlebt hatte. Bis Dezember 1889 hatten 18 Gewerkschaften ihre Absicht erklärt, am kommenden 1. Mai zu streiken. Diese Erklärungen waren nicht unumstritten. Im Kaiserreich war die Streikneigung verglichen mit anderen Ländern eher gering. Das hatte nicht nur mit der Schwäche der Gewerkschaften oder dem kühleren Temperament des deutschen Michels zu tun. Als die Maifeier vorbereitet wurde, galt in Deutschland noch das Sozialistengesetz. Die sozialdemokratische Partei, der viele Gewerkschafter nahe standen, war zwar zu den Reichstagswahlen zugelassen, aber als Organisation verboten. Während der Vorsitzende August Bebel im Reichstag Reden hielt, musste die Parteizeitung Vorwärts in Schweizer Käse verpackt über die Grenze geschmuggelt werden.

Die Unternehmerverbände drohten für den Fall von Streiks am 1. Mai mit Aussperrungen, Entlassungen und Schwarzen Listen. Wer darauf geriet, brauchte sich in seiner Gegend um Arbeit nicht mehr zu bemühen. Nur wenige Unternehmer, wie der Fabrikant Heinrich Freese oder Ernst Abbe (Zeiss Jena), der 1900 den 1. Mai als bezahlten (zunächst halben) Feiertag einführte, waren um sozialen Ausgleich und Deeskalation des Klassenkonflikts bemüht. Sie nahmen es mit der Arbeitsruhe am 1. Mai nicht so genau oder feierten gar mit.

DGB - ein Maienkind

Trotz drohender Sanktionen beteiligten sich am 1. Mai 1890 in Deutschland etwa 100.000 Arbeiterinnen und Arbeiter an Streiks, Demonstrationen und sogenannten "Maispaziergängen". Die regionalen Schwerpunkte bildeten Berlin und Dresden, aber auch Hamburg, wo es zu einem besonders erbitterten Arbeitskampf mit zeitweise 20.000 Beteiligten kam. Die Auseinandersetzungen zogen sich dort bis in den Spätsommer hin. Das war nur deshalb möglich, weil die Gewerkschaften die Aktionen an allen anderen Orten nach und nach aufgaben, um sich auf Hamburg konzentrieren zu können.

Es gelang ihnen zwar, das Koalitionsrecht zu sichern. Die im internationalen Vergleich bescheidene Forderung nach einem Neun-Stunden-Tag ließ sich jedoch nicht durchsetzen. Es blieb, wie in den meisten anderen kapitalistischen Ländern, zunächst bei zehn Stunden als Regelarbeitszeit. Ein "Nebenprodukt" des Streiks resultierte aber aus der Erfahrung gemeinsamer Aktion. Sie bewog die Vertreter der Gewerkschaften zur Gründung eines Dachverbandes, der noch 1890 als "Generalcommission der Gewerkschaften Deutschlands" unter Führung Carl Legiens in's Leben trat: Die Geburtsstunde des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Die Sozialdemokratische Partei (SPD), gerade wieder zugelassen, beschloss auf ihrem Hallenser Parteitag im Oktober 1890, den 1. Mai als dauerhaften "Feiertag der Arbeiter" einzuführen. Um der Provokation die Spitze zu nehmen, wollte sie von Arbeitsruhe dort absehen, wo sich ihr Hindernisse in den Weg stellten. Partei und Gewerkschaften machten den Aufruf zum Streik von der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Betriebs abhängig. Wo er nicht möglich war, sollten am ersten Maisonntag Umzüge und Feste im Freien stattfinden.

mit dem Ersten Weltkrieg brach die Sozialistische Internationale auseinander. Die SPD entschied sich wie ihre Schwesterparteien in den meisten anderen Ländern für ihr Vaterland und gegen Lohnbewegungen und Maikundgebungen. Die daraus resultierenden Konflikte zerrütteten die Familienverhältnisse in der Arbeiterbewegung. Auch die deutsche Sozialdemokratie zerbrach. Nach Kriegsende gab es zwei sozialdemokratische und eine kommunistische Partei (KPD), deren Vorläufer, der Spartakusbund, gegen den Krieg auftrat und bereits seit 1916 wieder zu Streiks und Maidemonstrationen aufrief.

Ihr wollt wissen, wie es mit der Geschichte des 1. Mai bis heute weitergeht. Die ganze Geschichte erfahrt ihr auf dieser Themenseite des DGB

Von: cdr

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