13.01.2025 | Ein wirtschaftlich schwieriges Jahr liegt hinter uns. Umso wichtiger ist, den Trend zu drehen und den Beschäftigten in der Industrie und anderen Branchen eine verlässliche Perspektive zu geben. IG Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze blickt im Interview auf 2024 zurück und erläutert die Strategie der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen für sichere und gute Arbeitsplätze bei uns in der Region.
Wir erleben schwere Zeiten in Politik und Wirtschaft. Gerade die Industrie in Deutschland ist 2024 unter Druck geraten. Was stimmt Dich optimistisch für 2025?
Dirk Schulze: Zunächst: Wir brauchen Unternehmen, die sich zum Standort Deutschland bekennen und hier investieren, statt nur zu jammern. Optimistisch stimmt mich die Kraft unserer IG Metall. Mit unserem Zusammenhalt und unserer Solidarität ist es möglich, die Zukunft im Interesse der Beschäftigten zu gestalten.
Dennoch: Die Angst um die Arbeitsplätze geht wieder um in den Industriebetrieben. Wie kann die Beschäftigung gesichert werden?
Dirk Schulze: Die Transformation wird nur gelingen, wenn sie mit den Belegschaften statt über die Köpfe der Beschäftigten hinweg gestaltet wird. Für gute Industrie-Arbeitsplätze auch in der Zukunft hat die IG Metall einen 11-Punkte-Plan vorgelegt. Dazu gehören massive Investitionen des Staates und der Unternehmen in ein modernes, innovatives und gerechtes Industrieland, ein schnellerer Hochlauf der Elektromobilität und die Sicherung von guter Arbeit durch Tarifverträge und Qualifizierung.
Wir stehen kurz vor der Bundestagswahl. Was muss die künftige Bundesregierung leisten?
Dirk Schulze: Da könnte ich viele Punkte nennen, von kalkulierbaren und wettbewerbsfähigen Strompreisen für die energieintensive Industrie bis zum raschen Ausbau der Elektrolade-Infrastruktur. Eine zentrale Forderung der IG Metall will ich herausgreifen: Egal wer künftig regiert, braucht finanziellen Spielraum, um in den sozialen Zusammenhalt und in die Zukunft investieren zu können. Deutschland spart sich kaputt - bei den Stromnetzen, bei den Schulen, im Wohnungsbau. Diese Schuldenbremse muss weg.
Was sagst Du denen, die vor einer zu starken Belastung unserer Kinder durch die Schulden warnen?
Dirk Schulze: Genau umgekehrt ist es richtig: Wir dürfen nachfolgenden Generationen nicht ein herunter gewirtschaftetes Land mit maroder Infrastruktur und ohne eine starke Industrie hinterlassen. Wir müssen jetzt mutig in die Zukunft investieren, genau damit es hier bei uns auch morgen noch gute Arbeit in unseren Branchen gibt. Deutschland hat mit einer Schuldenquote von 63 Prozent des Bruttoinlandsprodukts die niedrigste Verschuldung aller großen westlichen Industrieländer. Etwas mehr Verschuldung ist kein ernsthaftes Problem.
Was wird 2025 noch wichtig für die IG Metall in Berlin-Brandenburg-Sachsen?
Dirk Schulze: Wir haben wichtige Tarifrunden vor uns, etwa im Kfz-Handwerk, in der Stahlindustrie oder bei den Textilen Diensten. Wir wollen die Umsetzung der 35-Stunden-Woche weiter vorantreiben. Auch die Vorbereitung der Betriebsrats-Wahlen 2026 wird uns schon im zweiten Halbjahr beschäftigten.
Worum geht es dabei besonders?
Dirk Schulze: Unser Ziel ist, dass die Belegschaften mit einer Stimme gemeinsam und kraftvoll gegenüber den Arbeitgebern auftreten. Deswegen sind die Betriebsratswahlen 2026 so wichtig. Starke, geeinte und selbstbewusste Betriebsräte sind die beste Voraussetzung, um den Zusammenhalt in den Betrieben und damit auch in der Gesellschaft zu stärken.
Wir hatten 2024 zwei Landtagswahlen im Bezirk. Du hast in Brandenburg den Koalitionsvertrag begrüßt. Warum?
Dirk Schulze: SPD und BSW haben mit ihrem Koalitionsvertrag ein positives Signal für die Brandenburger Industrie und für den sozialen Zusammenhalt gesetzt. Genau daran werden wir die Landesregierung messen. Wir fordern eine Politik für die Beschäftigten in Brandenburg ein. Der Koalitionsvertrag bietet dafür eine gute Grundlage.
In Sachsen war die Regierungsbildung noch schwieriger als in Brandenburg. Was muss jetzt geschehen?
Dirk Schulze: Sachsen braucht eine handlungsfähige Regierung, die sich aktiv für eine starke Industrie und für den sozialen Zusammenhalt einsetzt. Auch hier liefert der Koalitionsvertrag von CDU und SPD einige gute Punkte. Jetzt gilt es, dass die demokratischen Parteien im sächsischen Landtag die Minderheitsregierung von Union und Sozialdemokratie bei wichtigen Vorhaben unterstützen. Nur wer Sicherheit im Wandel schafft, sorgt für mehr Gerechtigkeit und entzieht spalterischen Gruppierungen den Boden.
In Berlin streicht die Regierung Milliarden aus dem Landeshaushalt. Was heißt das für das Land Berlin?
Dirk Schulze: Nichts Gutes. Wir stellen uns den Haushaltskürzungen in Berlin entgegen. Berlin braucht mehr Investitionen in den sozialen Zusammenhalt, in eine starke Industrie, in Bildung, den Wohnungsbau und vieles mehr. Völlig zu Recht dringt der Regierende Bürgermeister von Berlin auf eine Reform der Schuldenbremse. Jetzt muss er seinen Worten Taten folgen lassen.
Bei Volkswagen ist eine besonders harte Auseinandersetzung kurz vor Weihnachten zu Ende gegangen. Was bringt der Abschluss?
Dirk Schulze: Wir haben einen schwierigen, aber tragfähigen Kompromiss erzielt. Mit einer solidarischen Lösung aller deutschen VW-Standorte ist es gelungen, einen Kahlschlag zu verhindern. Wir haben in äußerst komplexen Verhandlungen die Standorte sowohl in Zwickau als auch in Chemnitz und Dresden sichern können. Kein Standort in Sachsen wird geschlossen, kein Beschäftigter muss eine Kündigung befürchten. Es drohte ganz konkret das Ende für mehrere Werke mit Massenentlassungen in Deutschland – das ist mit der Vereinbarung vom Tisch. In diesen Zeiten ist die ausgehandelte Beschäftigungssicherung bis 2030 ein besonderer Meilenstein. Damit haben die Kolleginnen und Kollegen in Sachsen genau wie an den anderen VW-Standorten in Deutschland Sicherheit für die nächsten Jahre.
In zahlreichen anderen Unternehmen im Bezirk droht ein Stellenabbau, etwa bei Alstom, Mercedes oder ZF. Droht eine De-Industrialisierung bei uns im Bezirk?
Dirk Schulze: Wir kämpfen gemeinsam für jeden einzelnen Arbeitsplatz, für jedes Werk. Mit „Wir“ meine ich die IG Metall, die Betriebsräte und Vertrauensleute und die Belegschaften. Wir stehen vor großen Herausforderungen. Es geht hier um die Zukunft der Beschäftigten und um die Zukunft der deutschen Wirtschaft. Aber es geht auch um Respekt gegenüber unseren Kolleginnen und Kollegen. Dafür wird die IG Metall immer ihre ganze Kraft einbringen.
Wie hart der Kampf für die Interessen der Beschäftigten ist, zeigt sich deutlich bei Tesla in Grünheide. Wie siehst Du die Entwicklung?
Dirk Schulze: Die Metallerinnen und Metaller im Tesla-Betriebsrat führen in der Tat einen schweren Kampf gegen die managementnahe Mehrheit im Betriebsrat und gegen eine gewerkschaftsfeindliche Geschäftsführung. Umso beeindruckender sind ihre Erfolge. Sie haben gegen alle Widerstände spürbare Fortschritte beispielsweise beim Umgang mit Krankschreibungen erzielt. Auch die Entgelterhöhungen und andere Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen sind letztlich Reaktionen auf den Druck und das starke Engagement der Metallerinnen und Metaller in der Gigafactory. Das zeigt immer wieder, was alles möglich ist, wenn die Belegschaft zusammensteht und sich immer stärker gewerkschaftlich organisiert.