26.03.2024 | Passivität ist nichts für Stephanie Haferkorn. Sie will mitgestalten und sich einbringen, für bessere Arbeitsbedingungen streiten und die Themen von Frauen voranbringen. Das geht mit gewerkschaftlichem Engagement am besten. Deshalb ist die 30-Jährige als Vertrauensfrau und in der Vertrauenskörperleitung bei VW in Zwickau aktiv.
Stephanie, warum bist Du gewerkschaftlich aktiv?
Ich habe quasi mit dem ersten Tag meiner Ausbildung Feuer gefangen für die gewerkschaftliche Sache. Mir ist 2010, als ich hier bei VW in Zwickau gestartet bin und die Gewerkschaft im Neueinsteigerseminar kennengelernt habe, gleich klar geworden, dass es gemeinsam mit der IG Metall die große Chance gibt, Einfluss zu nehmen und meine Arbeitslandschaft mitzugestalten. Und wer mitgestalten will, der muss sich auch aktiv einbringen. Das habe ich damals so gesehen und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Wie bringst Du Dich ein?
Ich war vier Jahre lang Jugend- und Auszubildendenvertreterin bei VW in Zwickau und bin seit vielen Jahren als Vertrauensfrau unterwegs, seit 2022 auch in der Vertrauenskörperleitung.
Welche Themen sind Dir besonders wichtig?
Ich versuche, insbesondere Frauenthemen voranzubringen. In vielerlei Hinsicht sind Frauen ja auch heute noch benachteiligt. Das zeigen Studien immer wieder. In der Coronazeit haben Frauen zum Beispiel viel häufiger als Männer den Spagat zwischen Berufs- und Familienleben gemacht, die Betreuung ihrer Kinder übernommen als Kita und Schule geschlossen waren – zusätzlich zum Beruf. Wie wichtig eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist, erlebe ich als Mutter eines zweijährigen Kindes ja tagtäglich selbst. Eine Herausforderung der Zukunft ist es, den Wunsch nach einer ausgewogeneren Work-Life-Balance hinzukriegen.
Wie könnte das gelingen?
Indem wir immer wieder darauf hinweisen, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine bessere Work-Life-Balance alle angehen, nicht nur uns Frauen. Wir müssen auch die Männer mitnehmen und sie mehr für diese Themen sensibilisieren. Dafür braucht es Öffentlichkeit. Insofern ist es gut, dass es solche Tage wie den Internationalen Frauentag gibt.
Was habt ihr zum Internationalen Frauentag konkret gemacht?
Stephanie: Eine Veranstaltung unter dem Motto „Über den Tellerrand hinausschauen“. Dazu haben wir Frauen aus verschiedenen Branchen und Unternehmen eingeladen, über ihre jeweilige Situation zu berichten. Damit wollen wir auch für mehr Verständnis untereinander sorgen. Es ist doch so, dass viele nur wissen, wie es in ihrem Bereich zugeht, aber die Probleme der anderen gar nicht so genau kennen. Wenn zum Beispiel Erzieherinnen oder Busfahrerinnen streiken, dann tun sie uns allen damit viel mehr weh als wir der Allgemeinheit mit unseren Warnstreiks vor dem Werktor. Bei uns trifft und ärgert das in erster Linie den Arbeitgeber, unsere Warnstreiks haben aber auf andere nicht so große Auswirkungen. Im Grunde streiten wir aber alle für das Gleiche: für bessere Arbeitsbedingungen in unseren jeweiligen Bereichen.
Da reicht Vertrauensleutearbeit ja deutlich über den Betrieb hinaus …
… ja klar, und das ist gut so. Ist doch prima, wenn wir durch solche Aktionen nicht nur betrieblich, sondern auch gesellschaftlich was erreichen. Neulich hatten wir zum Beispiel die SPD-Vorsitzende Saskia Esken zu Besuch. Da haben wir als Vertrauensleute mit unseren Kolleginnen und Kollegen im Vorfeld und auch danach diskutiert. So konnten wir ihr zum Beispiel nochmal mit auf den Weg geben, welche Wünsche die Kolleginnen und Kollegen an die Politik haben.
Zum Beispiel?
Die Förderung der E-Mobilität natürlich – auch wenn das hier bei uns in Zwickau nicht wirklich verwunderlich ist.
Welche Eigenschaften sollten Vertrauensleute mitbringen, wenn sie sich zur Wahl stellen?
Neben dem Interesse, die Arbeitswelt besser zu machen, Kommunikationsfähigkeit. Vertrauensleute müssen gut zuhören können, sensibel dafür sein, wenn Kolleginnen und Kollegen etwas auf dem Herzen haben. Und sie müssen die Stimme ihrer Kolleginnen und Kollegen werden und deren Anliegen weitertragen. Eine Portion Kreativität wäre auch keine schlechte Voraussetzung und ein starker Wille gehört auch dazu.
Warum?
Verbesserungen sind oft nur in langwierigen Prozessen und kleinsten Schritten zu erreichen. Dafür braucht man schon einen langen Atem und eben einen starken Willen, um die Bretter gegen Widerstände immer wieder neu zu bohren.
Welche Projekte habt Ihr für die kommende Wahlperiode auf dem Zettel?
Wir befinden uns ja derzeit bei VW in der Integrationsphase in die VW AG. Diesen Weg wollen wir mitgestalten, damit die Wünsche und Themen unserer Kolleginnen und Kollegen in Sachsen Gehör finden. Dazu stellen wir von Dreischicht- auf Zweischichtsystem um. Auch das begleiten wir mit und geben die Sorgen unserer Belegschaft weiter. Nicht alle sind davon begeistert. Und ganz aktuell unterstützen wir auch die Bildungszeitkampagne „5 Tage Bildungszeit für Sachsen“. Da werden wir Vertrauensleute dafür sorgen, dass auch von VW Zwickau viele Unterschriften den Volksantrag unterstützen.
„Nah dran und kompetent“ – das wird Vertrauensleuten immer nachgesagt. Ihr scheint dieses Motto bei VW in Zwickau ziemlich gut zu beleben.
Ja, wir stehen in engem Austausch. Nicht nur untereinander mit allen Vertrauensleuten, sondern auch mit unserer Belegschaft. Wir sind gut vernetzt und können schnell reagieren, wenn der Schuh irgendwo drückt. Es ist immer wieder schön, zu sehen, wie ein Puzzleteil ins andere greift und wie wir zusammen ein tolles Bild ergeben.
Ob du wieder kandidierst, muss ich dich nicht fragen, oder?
Nein! Auf jeden Fall bin ich wieder dabei. Vertrauensleutearbeit gibt uns doch eine Riesenchance, gemeinsam coole Ideen zu entwickeln und umzusetzen und die Arbeitswelt mitzugestalten.
Zur Person:
Stephanie Haferkorn (30) ist seit 2010 bei VW in Zwickau. Seit Beginn ihrer Ausbildung zur Elektronikerin für Automatisierungstechnik ist sie auch gewerkschaftlich aktiv. Sie war vier Jahre lang Jugend- und Auszubildendenvertreterin, ist seit vielen Jahren Vertrauensfrau und seit 2022 auch in der Vertrauenskörperleitung. „Wer gestalten will, ist in der IG Metall genau richtig“, sagt sie.