19.02.2020 | Die IG Metall Zwickau begrüßt die Debatte über das niedrige Lohnniveau im Vogtland und fordert die Politik dazu auf, sich für Tarifverträge stark zu machen. „Wir freuen uns, dass von einzelnen Politikern von CDU und Grünen das niedrige Lohnniveau im Vogtland endlich zum Thema gemacht wird. Die vielerorts gezahlten Niedriglöhne sind eine tickende Zeitbombe sowohl im Hinblick auf die Fachkräftesituation wie auch mit Blick auf die Rentenansprüche der Beschäftigten“, so der Erste Bevollmächtigte Thomas Knabel.
Aus Sicht der IG Metall hat in der Vergangenheit vor allem der starke Unterschied bei den Arbeits- und Entgeltbedingungen zwischen Ost und West zu einer massiven Abwanderung an Fachkräften geführt. „Menschen, die wegen den Löhnen in die alten Bundesländer abgewandert sind, kommen nicht wegen PR-Kampagnen zurück. Die Betriebe müssen attraktive Arbeits- und Entgeltbedingungen schaffen und die Kluft zwischen Ost und West in diesem Bereich endlich schließen. Das Jammern über den vermeintlichen Fachkräftemangel ist vor diesem Hintergrund in zahlreichen Betrieben ein selbstgemachtes Problem“, so Knabel weiter.
Mit großer Sorge blickt die IG Metall auch auf die Folgen der jahrzehntelangen Niedriglohnpolitik vieler Unternehmer im Vogtland. „Viele Kolleginnen und Kollegen, die 45 Jahre und mehr gearbeitet haben, werden im Vogtland aufgrund des niedrigen Lohnniveaus von Altersarmut betroffen sein. Jeder Stundenlohn unter 12,63 € trägt dazu bei, dieses Problem zu verschärfen. Wir fordern die Politik daher dazu auf, sich stärker für Tariflöhne stark zu machen“, so Knabel abschließend. Laut Auskunft der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage der Linksfraktion im deutschen Bundestag ist bei einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden und 45 versicherungspflichtigen Beschäftigungsjahren rechnerisch ein Stundenlohn von 12,63 € notwendig, um eine Nettorente oberhalb des durchschnittlichen Grundsicherungsniveaus in Höhe von rund 820 € zu erhalten.
Licht und Schatten im Vogtland
Zugleich plädiert die IG Metall für einen differenzierten Blick. „Es gibt zahlreiche Betriebe, die tarifvertraglich geregelte Löhne und Arbeitsbedingungen haben und sehr erfolgreich sind. Mahle in Reichenbach, die SBG in Neumark oder das MAN BMC in Plauen sind nur einige Beispiele“, so Benjamin Zabel, Gewerkschaftssekretär mit dem Schwerpunkt Vogtland. „Daneben gibt es auch viel Schatten. Konzernableger wie Boysen in Plauen, Allgaier in Oelsnitz oder Dr. Gühring in Treuen zahlen weit unterhalb des Tarifniveaus, obwohl diese Konzerne in den alten Bundesländern Tarifverträgen unterliegen. Auch andere erfolgreiche Betriebe aus der Region, beispielsweise Thermofin oder KOBRA sind trotz wirtschaftlicher guter Situation, weit vom Tarifniveau der Metall- und Elektroindustrie entfernt.“ Die derzeit in vielen Betrieben zu beobachtende Strategie, durch individuelle Zulange, intransparente Prämien- oder Bonussysteme die Unzufriedenheit der Belegschaften zu befrieden, sieht die Gewerkschaft kritisch. „Transparente Entgeltsysteme und faire Vergütungen lassen sich nur über Tarifverträge erreichen“, so Zabel.
Belegschaften müssen mutiger werden
Die Gründe für die Entwicklung des Vogtlands zu einer Niedriglohnregion sind aus Sicht der IG Metall vielschichtig. „Die Politik hat jahrelang eine Niedriglohnpolitik gefördert und damit die Situation mitverantwortet. Gleiches gilt für viele Unternehmer, die mit zum Teil aggressiven Strategien gegen Beschäftigte vorgehen, die beispielsweise mit Betriebsratsgründungen gegen diese Entwicklung etwas entgegensetzen wollen“, so Thomas Knabel. Zugleich fordert die IG Metall Zwickau die Beschäftigten im Vogtland dazu auf, gemeinsam für gute Arbeits- und Entgeltbedingungen aktiv zu werden. „Die Beschäftigten bei der Plamag in Plauen haben gezeigt, wie es funktionieren kann. Sie sind auf uns zugekommen, gemeinsam haben wir die Belegschaft organisiert und nach der erfolgreichen Betriebsratsgründung konnte auch eine Tarifbindung durchgesetzt werden. Über die kommenden Jahre findet nun eine stufenweise Angleichung an das Niveau der Fläche statt. Ein toller Erfolg, der Schule machen sollte. Wir sind für alle Beschäftigten, die in ihren Betrieben etwas verändern wollen, jederzeit ansprechbar“, so Zabel abschließend.